Der weitere Weg der Familie Blum in den Kaukasus bzw. Deportation nach Kasachstan

1.1.) Johannes Blum (1878 – 1967) und Katharina Diehl (1887 – 1963)

Nachdem Tod seiner ersten Frau Sohpie geb. Lehr im Jahre 1908 vermählt sich Johannes Blum noch im selben Jahr mit Katharina Diehl aus Großliebental.

Doch er hat noch viele Pläne. Daher endet hier die Familiengeschichte des Johannes Blum in Seimeny. Er verkauft die Hofstelle. Ihn zieht es mit seiner Familie noch weiter in den Osten. Die Erzählungen von einem besseren Leben und mehr Wohlstand reizen ihn. Das Ziel der Familie Blum ist der Kaukasus. Gemeinsam mit weiteren Gesellschaftern erwerben sie 1910 grössere Steppenflächen in der Nähe von Chassawjurt, belegen zwischen dem schwarzen und kaspischen Meer.

Grosszügige 350 Hektar darf sie ab nun ihr „Eigen“ nennen. Nach einem kurzen häuslichen Aufenthalt in Chassawjurt ziehen sie im Frühjahr 1911 auf ihr Landgut. Und hier kommt auch ihr letzter gemeinsamer Sohn Wilhelm 1915 zur Welt. Mehrere Gebäude (Wohnhaus und Ställe bzw. Scheunen) sowie eine Mühle werden in der öden Steppe errichtet. Und auch der Viehbestand wächst auf rd. 30 Pferde, diverse Kühe und Schafe an. Der Betrieb wird durch weitere 60 Desjatinen in der deutschen Kolonie Freudenfeld erweitert.

Doch im Ersten Weltkrieg wird Johannes Blum 1916 mit Pferd und Wagen in eine Versorgungseinheit (Nachschub) zum russischen Militär eingezogen. Der erste abenteuerliche Transport an die russisch-türkische Front hinter der Stadt Erserum, weit hinter der türkischen Grenze, fordert ihn in vollem Masse. Neben der enormen Entfernung werden über 2300 Höhenmeter überwunden. Die Truppe ist mit unterschiedlichen Nationalitäten bunt gemischt. Sprachliche Barierren werden zur Not mit Händen und Füssen überwunden.

Nach Auflösung der Einheit und der Rückkehr zum heimatlichen Hof, werden sie, wie die Familien der anderen umliegenden Hofstellen, aufgrund der Unruhen infolge der russischen Revolution 1917, Ziel mehrmaliger tscherkessischer Angriffe. Trotz entsprechender gemeinsamer Verteidigungsbemühungen nimmt die Gefahr um das eigene Leben, Hab und Gut ständig zu. In der Gemeinde fällt nach langen Überlegungen der Beschluss, um Hilfe in der Bezirkshauptstadt Mosdok zu bitten. Die Wahl dieses lebensbedrohenden „Botengangs“ fällt auf Johannes Blum.

Doch wegen der auch in der Stadt grossen Unruhen ist es ihm unmöglich, Hilfe zu „organisieren“, aber er ist froh, mit seinem Leben davonzukommen. Er kann gerade noch rechtzeitig seine Familie für die Flucht mit einem Pferdewagen im Februar 1918 abholen. Über den Fluss Terek geht es zunächst nach Kisliar, von dort weiter mit der Eisenbahn bis kurz vor Rostow/Don. Die weiteren Stationen Roserka und Bergtal bilden immer noch nicht deren Endstation. Im Juli 1918 geht es mit dem Schiff nach Odessa sowie mit einem anderen Schiff nach Akkermann. Von da werden sie von dem Schwiegervater Johann Diehl nach Seimeny, ihrer ursprünglichen Heimat, abgeholt. Nach ca. zwei Jahren siedeln sie erneut in Eigenheim. Sie bauen sich dort mit eigenen Händen erneut eine Existenz auf. Was für eine bewegte Lebensgeschichte.

Diese aussergewöhnlich interessante detailreiche Schilderung ist der selbst verfassten Geschichte von Johannes Blum „Ein Bauernleben zwischen Donau und Kaspischem Meer“ zu entnehmen.

1.2.) Kinder von Jakob und Katharine Blum geb. Geigle

Neben Johannes Blum (1878-1967) nehmen auch weitere Familienmitglieder der inzwischen zahlreich in Plotzk lebenden „Blums“ die weite Reise und das Abenteuer in den Nordkaukasus auf sich. Seit einigen Jahrzehnten und dem Ende des Kauskasuskrieges gehört diese Region zu Russland. Sämtliche Kinder der Eheleute Jakob und Katharine Blum geb. Geigle wandern in jungem Erwachsenenalter um 1910 in die auserwählte Region Stavropol aus. Ein tränenreicher Abschied von den Eltern lässt sie noch lange wehmütig an ihre Kindheitstage in Plotzk erinnern.

Sie lassen sich in Martynovka, Chutor Nikolaewk, Solotarewka und Nikolaevka nieder, finden eine Ehefrau bzw. einen Ehemann und gründen ihre eigenen Familien. So heiratet der älteste Bruder Friedrich Blum (1892-1944) Luise Volmer (1893-1976) und sie ziehen drei Töchter gross. Eine von ihnen wird viele Jahrzehnte später die Urheimat ihrer Vorfahren in Deutschland wiedersehen. Die ein Jahr jüngere Schwester von Friedrich – Ida Blum (1893-1969) vermählt sich mit dem aus Paris (Akkermann/Bessarabien) stammenden Nathanel Salo. Sie bekommen fünf Kinder und begründen ihren Haushalt in Chutor Nikolaewk. Auch Pauline Blum (1895-1946) verliebt sich früh und heiratet den bereits hier in Russland geborenen Heinrich Kroissant (1893-1964). Sie sind stolz auf ihre zwei Töchter und Söhne. Nach dem Tode seiner ersten Ehefrau 1946 heiratet der Familienvater ein zweites Mal. Auch Georg Blum (1898-1957) findet aus der Familie Kroissant seine Herzensfrau. Sie heisst Amalia, ist 1900 geboren und schenkt zwei Töchter und einem Sohn das Leben. Sie siedeln in Nikolaevka. Die nächste Schwester Berta (1901-1956) tritt mit Johann Salo vor den Traualtar und sie bekommen drei Kinder (2 Söhne). Und der jüngste Bruder von der Geschwistern Blum – Emanuel (1907-1941) – schenkt sein Herz zunächst Emma Riedinger (1908-1937). Sie wohnen in Martynovka und bekommen zwei Töchter und zwei Söhne, doch dann stirbt die Mutter 1937 überraschend früh. Mit seiner zweiten Ehefrau Frieda Kesleber (1919-1985) wird die Familie um zwei weitere Töchter vergrössert. Auch von ihnen werden später einige in die Urheimat ihrer Vorväter und -mütter nach Deutschland zurückkehren.

Zwangsdeportation nach Kasachstan

Doch schon bald ziehen dunkle Wochen auf. Der erste Weltkrieg sowie die russische Revolution 1917 hinterlassen auch hier ihre Spuren. Die Sowjetisierung nimmt immer weiter zu. Auf dem Höhepunkt der kritischen Situation und nach dem Überfall von NS-Deutschland auf die Sowjetunion werden Tausende von Russlanddeutschen ab Mitte August 1941 nach Kasachstan und Sibirien zwangsumgesiedelt. Dazu zählen auch einige Familienzweige der Blums aus dieser Region. Für den wochenlangen Transport wurden u.a. Schiffe, LKW und vollgestopfte und meist auch von aussen verschlossene Güterzüge genutzt. Die Verpflegung ist unzureichend. Es beginnt damit eine zum Teil sogar jahrelang anhaltende Zeit des Hungerns und der Zwangsarbeit. Nicht alle werden diese Tortur überleben. Und auch die Sprache, die kulturellen Werte bzw. die nationale Identität gehen auf Druck Stück für Stück verloren. Die Verteilung der Zwangsdeportierten erfolgt auf verschiedene zum Teil auch vor vielen Jahrzehnten gegründeten weit entlegenen deutschen Dörfer.